Das Leben in den Waldglashütten 

Sobald die Familien der Glasbläser an einen geeigneten Ort für eine Glashütte kamen, mussten sie alles, was sie zum Leben und Arbeiten brauchten, neu aufbauen. Das begann bei den Behausungen, die ja nur auf Zeit und daher nicht sehr massiv gebaut waren. Der Hüttenmeister mit den Gesellen wohnte in einem etwas stabiler gebauten Haus, alle anderen Arbeiter wohnten in Katen. Da der Prozess der Glasherstellung für die vielen Arbeitsschritte viele Menschen erforderte, waren es keine kleinen Siedlungen, die so entstanden. Die Abgeschiedenheit der Wälder machte es außerdem nötig, dass die Menschen sich dort selbst versorgen konnten. Sie besaßen Vieh und bestellten die Äcker. 

Aber in erster Linie drehte sich das Leben um das Glas, zu dessen Herstellung etliche Gebäude nötig waren. Wichtiges Gebäude war das Hüttengebäude mit dem Schmelz- und Kühlofen. Er besaß ein Dach durch das der Rauch entweichen konnte und hier wurden auch die wertvollen Materialien wie Pottasche, Brennholz und Sand sicher und trocken gelagert. Das Hüttengebäude war also Arbeitsort, Lagerort und auch logistisches Zentrum, in dem die fertigen Produkte für den Weitertransport verpackt wurden.

Die Arbeit des Hüttenvolks am Waldglas 

Neben dem Hüttengebäude war der Ofen essentiell für jede Hütte. In der Regel waren es dreistöckige Rundöfen, die mit Geschick und dem Wissen vieler Generationen erbaut wurden. Doch der entscheidende Faktor für den Erfolg einer Hütte war die handwerkliche Fertigkeit des Glasmeisters neben seiner Fähigkeit, die Geschäfte zu führen. Gearbeitet wurde rund um die Uhr im Schichtbetrieb von Ostern bis November. Dann wurden die nötigen Vorbereitungen für die kommende Saison getroffen, die Öfen wurden repariert und Brennmaterial besorgt.

Die Hütte selbst war streng hierarchisch strukturiert. Neben dem Glasmeister arbeiteten Einbläser, Anfänger und Einträger. Bis man von einer Tätigkeit zur nächsten aufstieg, vergingen oft Jahre. Jeder Handgriff war streng vorgegeben und folgte einer regelrechten Choreografie: Der Einbläser holte einen Batzen Glas mit der Pfeife aus dem Ofen und blies den Glasposten je nach Werkstück in einer Tonform oder auch freihändig zur Vorform. Dann reichte er die Pfeife weiter zum Meister, der das Glas fertig machte. Dazu ließ er sich vom Anfänger Glasbatzen bringen, die zu Nuppen und Fäden formte. Der letzte Arbeitsschritt lag also immer beim Meister. Der Einträger brachte das fertig geformte Glas in den Kühlofen.

Neben der reinen Glasherstellung gab es noch eine Reihe von Gewerken, wie zum Beispiel die Holzfäller, die die Bäume für die Pottasche schlugen, Schürer, die für die Beheizung der Öfen und deren ideale Temperatur verantwortlich waren und viele andere. Eine Glashütte war mobil und sie funktionierte autark.

Der Handel mit Waldglas

Waldglas war ein absolutes Luxusprodukt. Fenster waren bis ins 16. Jahrhundert hinein kaum verbreitet, aber auch Trink-Gläser konnten sich vor allem Adelige und ab dem späten Mittelalter reiche Bürger leisten. So luxuriös das Produkt war, so sorgfältig wurde es vom Hüttenvolk für den Transport vorbereitet. Verpackt wurden die wertvollen Gläser von den Frauen, meist in feuchtem Stroh. Der Transport erfolgte dann durch Glasträger in Kraxen, Körben, die auf dem Rücken getragen wurden. Damit wurde das Glas oft mehrere hunderte Kilometer über Handelsrouten direkt zu den Kunden gebracht. Diese Handeslrouten verbanden Prag mit der Fuggerstadt Augsburg oder gingen über Paderborn nach Hameln durch den Teutoburger Wald Richtung Berlin. Das in Deutschland hergestellte Waldglas wurde auf diese Weise nicht nur innerhalb Deutschlands ausgeliefert, sondern auch nach Holland, Dänemark, Russland und sogar nach Nordamerika. 

Die Herstellung des Waldglases

Glas benötigt einen Glasbildner und einen Glaswandler. Bei der traditionellen Herstellung von Waldglas war der Glasbildner Quarzsand, der idealerweise in der Nähe der Glas-Hütte abgebaut werden konnte. In der Regel war das in Bachbetten angeschwemmter verwitterter Taunusquarzit, der Eisenoxide enthält und das Glas ab einer Menge von unter null Prozent grün färbt. Dadurch erhält das Waldglas seine typische Grünfärbung, das es auszeichnet und besonders macht. In Venedig, der Stadt mit der berühmten Glasbläser-Insel Murano, wird zum Beispiel weißer Sand als Glasbildner verwendet, was zu einer hellen Färbung führt.

Als Glaswandler, die Struktur und Eigenschaften des Glases verändern wie zum Beispiel das Senken der Schmelztemperatur, wurde Pottasche verwendet. Pottasche ist chemisch betrachtet Kaliumkarbonat, gewonnen wurde es aus Pflanzenasche in sogenannten Aschehäusern. Eiche, Buche oder Fichte sind ideale Pottascheträger, es wurden daneben auch Farnkraut, Melasse oder Wollwachs verwendet. Die Pflanzenasche diente im Herstellungsprozess als Verbrennungsasche und lieferte auch einen Teil des Kalks, der für die Herstellung guten Glases nötig war.

Das eigentliche Schmelzen zur Vorbereitung der Ausarbeitung des Glases war ein langwieriger Prozess, der sich über mehrere Tage hinzog. Dann konnte mit der Ausarbeitung begonnen werden, die zehn bis zwölf Stunden dauerte und an deren Ende die fertigen Glasprodukte standen.

Die Formen des Waldglases

Grundsätzlich wurden aus Waldglas Flachglas- und Hohlglas-Produkte hergestellt. Aus Flachglas entstanden Fensterscheiben, die sogenannten Butzenscheiben. Bei der aus der Normandie stammenden Technik wurde eine Kugel geblasen, umgeformt und anschließen in Blei zu einer Fensterscheibe gefasst. 

Hohlglas wurde verwendet, um Nuppen-Becher, Flaschen, Humpen, aber auch Sonderformen wie Stundengläsern oder Pilgerflaschen herzustellen. 

Traditionelle Produkte aus Thüringer Waldglas

In der Glasbläserstadt Lauscha werden bis heute eine Vielzahl der traditionellen Formen des Waldglases weiter im Original produziert. Dazu gehören Weingläser mit Fadenauflage, Karaffen mit kunstvoll geformtem Henkel oder Noppenbecher. 

Unser Waldglas stammt aus der Farbglashütte Lauscha. Sie wurde im 19. Jahrhundert gegründet, und ist damit eine der ältesten noch existierenden Hütten im Thüringer Wald, die echtes Thüringer Waldglas produziert.

Die Blasen, auch Gispen genannt, entstanden, weil mit Holzbefeuerung ursprünglich nicht so hohe Schmelztemperaturen erreicht werden konnten. Bis heute zeichnen sie das echte Waldglas aus. Ebenso wie die Schlieren, Maß-, Farb- und Formabweichungen, sie sind gewollt und Zeichen der traditionellen Handarbeit eines direkt am Ofen hergestellten Glases.

Auch wenn die grüne Farbe inzwischen nicht mehr von der Pottasche stammt, sondern das Glas grün eingefärbt wird, ist die eigentliche Herstellung die Gleiche geblieben. Wie vor hunderten von Jahren wird jedes Glas-Produkt in aufwendiger Handarbeit von einem Glasbläser vor dem Ofen geformt. 

Eine besondere Geschichte: Die Vase Felicitas aus Thüringer Waldglas

Einige Stücke des Thüringer Waldglases sind in ihrem Design vom Bauhaus inspiriert. In den 1930er-Jahren nämlich arbeiteten Bauhaus-Designer mit den Glasbläsern in Lauscha zusammen, die sich durch die neuen Ideen und das schlichte, aber dabei besonders funktionelle Design gerne beeinflussen ließen. Eine Tradition, die bis heute Bestand hat.

Eine besondere Geschichte hat die Felicitas-Vase. Diese Vase aus Thüringer Waldglas wurde in den 1930er-Jahren in Lauscha in Zusammenarbeit der Glasbläser vor Ort und Designern des berühmten Bauhauses entworfen. Seit fast 100 Jahren wird sie nun in Lauscha hergestellt. Dabei hat die Vase mit ihrer runden, kugeligen Form nichts von ihrer Modernität eingebüßt. Mittlerweile ist sie längst zu einem Klassiker des Bauhaus-Designs und einer Botschafterin der Tradition und der Kunstfertigkeit des Thüringer Waldglases geworden. 

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